Strategien zum Umgang mit Mikroschadstoffen
Da derzeit keine EU-weiten rechtlichen Vorgaben zur Reduktion der Emissionen von Mikroschadstoffen vorliegen, haben die beteiligten Regionen in den letzten Jahren unterschiedliche Strategien zum Umgang mit Mikroschadstoffen erarbeitet.
Insbesondere für die Nachrüstung kommunaler Kläranlagen mit weitergehenden Reinigungsverfahren auf Basis stoff- oder stoffgruppenspezifischer Anforderungswerte liegen keine rechtlichen Anforderungen vor. Der Legislativvorschlag zur Kommunalabwasserrichtlinie vom Oktober 2022 enthält erstmalig eine eindeutige Vorgabe.
In Luxemburg wurden 13 Kläranlagen ausgewählt, die prioritär mit einer Verfahrensstufe zur weitergehenden Spurenstoffelimination ausgestattet werden müssen. Die Auswahl dieser Kläranlagen erfolgte auf Basis der allgemeinen Frachtreduktion. Für diese Kläranlagen ist zunächst eine Machbarkeitsstudie durchzuführen, bevor mit der Detailplanung begonnen werden kann. Weiterhin wurden Kläranlagen mit in die Auswahl aufgenommen, für die zum Zeitpunkt der Auswahl schon Untersuchungen e zum Ausbau vorlagen oder begonnen wurden. Weitere Kläranlagen können ebenfalls mit einer Verfahrensstufe zu weitergehenden Spurenstoffelimination ausgestattet werden, unter der Bedingung, dass eine Machbarkeitsstudie durchgeführt wird, die dann gegeben falls die Notwendigkeit eines Ausbaus bestätigt.
Hinsichtlich der Inhalte und Anforderungen der Machbarkeitsstudie hat die luxemburgische Wasserverwaltung (Administration de la gestion de l’eau) eine Handlungsempfehlung in Zusammenarbeit mit den Abwasserverbänden und Betreibern, Ingenieurbüros und Forschungseinrichtungen erstellt und veröffentlicht. Für die Durchführung von Messprogrammen und Machbarkeitsstudien sowie den eigentlichen Ausbau der Anlagen ist eine staatliche Förderung vorgesehen.
Die Modalitäten hierzu können unter https://eau.gouvernement.lu/eingesehen werden (in französischer Sprache).
In Frankreich wurde seit 2002 mit einer umfangreiche Forschungs-, Analyse- und Normierungsarbeit rund um Mikroschadstoffe begonnen. Basis für diese Arbeiten ist die nationale Aktion zur Erforschung und Verringerung der Ableitungen gefährlicher Stoffe in Gewässern (RSDE) in für den Umweltschutz klassifizierten Anlagen (ICPE). Diese Aktion wurde im April 2004 auf nicht klassifizierte Anlagen wie kommunale Kläranlagen (STEU) ausgeweitet. https://www.ineris.fr/fr/action-rsde
Bei Abwasser betrifft die Regelung kommunale Kläranlagen ≥ 10.000 Einwohnergleichwerte (EW) und schreibt die Durchführung eines Messprogramms im Zulauf der Anlage (Identifizierung der Mikroschadstoffe und ihrer Emissionsquellen) und den Vorschlag von Maßnahmen zur Reduzierung an der Quelle vor. https://www.ineris.fr
Die 3. nationale Kampagne zur Messung von Mikroschadstoffen in kommunalen Kläranlagen (RSDE STEU) fand zwischen 2017 und 2020 statt. Es wurden sechs Messreihen am Ein- und Auslauf von Anlagen mit mehr als 10.000 EW, die sich in Frankreich befinden, durchgeführt, wobei 96 Stoffe im Zulauf der Anlage und 89 Stoffe im Auslauf der Anlagen gemessen wurden.
Eine Kampagne wurde 2022 neu gestartet und wird dann in einem Abstand von sechs Jahren wiederholt. Die vorliegenden Ergebnisse werden mit neuen Stoffen ergänzt und ermöglichen die Bewertung der Maßnahmen. Die neue technische Notiz vom 24. März 2022 wurde um eine optionale Liste von 28 Stoffen erweitert (Metalle, Pflanzenschutzmittel und Metaboliten sowie bestimmte Arzneimittel), aber der Préfet kann die Messung dieser Stoffe je nach Empfindlichkeit des aufnehmenden Gewässers oder der Nutzungen stromabwärts der Kläranlageneinleitung vorschreiben.
Im Zeitraum 2016-2021 wurde ein nationaler Plan „Mikroschadstoffe“ umgesetzt, der auf die Erhaltung der Wasserqualität und der Biodiversität abzielt. Im Rahmen des vorherigen Plans wurden 13 Projekte zur Bekämpfung von Mikroschadstoffen in städtischen Gewässern bei der Projektausschreibung „Innovation et changements de pratiques: micropolluants des eaux urbaines“, die 2013 gemeinsam vom Umweltministerium, den Wasserbehörden und dem Office Français de la biodiversité (OFB) (weitere Informationen auf der Website des OFB und der Projektausschreibung) veröffentlicht wurde, ausgewählt. In der Region Grand Est im Rhein-Maas-Einzugsgebiet gehört LUMIEAU-Stra zu den ausgewählten Projekten.
Die nationale Ecophyto-Projektausschreibung unterstützt Projekte zur Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen des Plans Ecophyto II+. Dazu zählen unter anderem die Förderung von natürlichen, wenig besorgniserregenden Präparaten, die Untersuchung und Verbreitung von alternativen Schädlingsbekämpfungsmethoden sowie die Untersuchung der Auswirkungen von Pestiziden.
Weitere Informationen: https://agriculture.gouv.fr/
In Wallonien wurden im zweiten Bewirtschaftungszeitraum 2016-2021 zunächst umfangreiche Programme zur Messung von Mikroschadstoffen in Kläranlagen und industriellen Einleitungen durchgeführt. Darüber hinaus wurden Maßnahmen zur Reduzierung der Einträge von Mikroschadstoffen aus Industrieabwässern und zur Sensibilisierung der Industrie für diese Thematik durchgeführt.
Im dritten Bewirtschaftungszeitraum 2022-2027 sind konkrete Maßnahmen vorgesehen, um die Emissionen von Mikroschadstoffen aus Punktquellen und diffusen Quellen zu reduzieren.
In Bezug auf Punktquellen, die hauptsächlich industriellen Ursprungs sind, werden die Einleitungsgenehmigungen der Unternehmen überarbeitet, so dass die betroffenen Unternehmen verpflichtet werden, die Emissionen von prioritären Stoffen, prioritär gefährlichen Stoffen und spezifischen Schadstoffen, deren Emissionen als Punktquellen identifiziert wurden, zu reduzieren oder sogar einzustellen. Dieser Ansatz, der bereits im Zeitraum 2016-2021 begonnen wurde, wird im dritten Bewirtschaftungszeitraum intensiviert. Parallel dazu werden gezielte Charakterisierungskampagnen fortgesetzt, um die Ursachen für bestimmte Herabstufungen zu ermitteln.
Darüber hinaus wird ein Aktionsplan zur Reduzierung der Emissionen aus diffusen Quellen wie Niederschlagsabfluss aufgestellt. Dabei werden verschiedene Aspekte berücksichtigt, wie der Luft-Wasser-Pfad, bestehende Einträge von Haushaltschemikalien oder Materialien, die mit Haushaltswasser in Berührung kommen, aus kleinen Kläranlagen und Einträge aus Regenwasser und Regenauffangbecken.
Die Reduzierung des Eintrags von Pestiziden in Oberflächengewässer ist an verschiedenen Stellen im Maßnahmenplan verankert. Dazu gehören der wallonische Plan zur Reduzierung von Pestiziden, die Einrichtung von Grünstreifen entlang von Wasserläufen, die Stärkung des ökologischen Landbaus und die Reduzierung von Mineraldüngern, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden und Schwermetalle enthalten. Darüber hinaus ist geplant, weniger Pestizide und Düngemittel für bestimmte Kulturen zu verwenden und die Kontrollen in der Landwirtschaft generell anzupassen.
Schließlich werden Sensibilisierungskampagnen für die breite Öffentlichkeit und die Wirtschaftsakteure organisiert, die verschiedene Themen im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie, einschließlich neu auftretender Stoffe, umfassen.
Neben diesen Maßnahmen auf Basis der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie werden im Rahmen des wallonischen Plans für Umwelt und Gesundheit (ENVIeS) bestimmte Maßnahmen in Bezug auf Mikroschadstoffe in Gewässern durchgeführt, insbesondere:
- Die Untersuchung des Vorkommens, der Herkunft und der Auswirkungen bestimmter perfluorierter Verbindungen (PFOS/PFAS) und bestimmter Weichmacher (Phthalate und Bisphenol) in den Gewässern in Wallonien;
- Die Überwachung von Schadstoffmischungen, die in Oberflächengewässer eingeleitet werden, und die Bewertung des Risikos des Cocktail-Effekts (ökotoxikologische Charakterisierung diffuser Einträge);
- Die Analyse von Pestiziden in Regenwassertanks (diffuse Verschmutzung).
Bewirtschaftungspläne 2022-2027 – Directive-cadre sur l’Eau en Wallonie – SPWARNE © HB
Im Zeitraum 2016-2022 wurde in Deutschland der sogenannte Stakeholder-Dialog Spurenstoffe durchgeführt. Im März 2022 fand eine digitale Abschlussveranstaltung statt, bei der die Ergebnisse der Runden Tische zu Benzotriazol, Diclofenac und Röntgenkontrastmittel sowie die Spurenstoffstrategie des Bundes vorgestellt wurden. Die Dokumentation zu dieser Veranstaltung finden Sie hier https://www.dialog-spurenstoffstrategie.de/spurenstoffe/aktuelles/meldungen/22-0627-Bilanzveranstaltung.php
Als wesentliches Ergebnis wurde ein Orientierungsrahmen zur Umsetzung von Maßnahmen für die Reduktion von Mikroschadstoffeinträge in Gewässer erarbeitet. Dieser hebt Kläranlagen, neben quellenorientierten und anwendungsbezogenen Maßnahmen, als wichtigen Baustein zur Reduktion von Mikroschadstoffeinträgen in Gewässer hervor. Zur Identifikation der in Betracht kommenden Kläranlagen wurde eine Vorgehensweise einschließlich eines Kriterienkatalogs erarbeitet.
Im Saarland wurde für das Einzugsgebiet der Blies eine umfangreiche Analyse der Spurenstoffbelastung im Gewässer und in Kläranlagenabläufen sowie eine Maßnahmenbetrachtung auf der Basis einer Stoffstrommodellierung durchgeführt (www.evs.de/umwelt/forschung-und-entwicklung/spurenstoffe). Der Ablauf der hierzu durchgeführten Studie war stark am Orientierungsrahmen des Bundes angelehnt. Ein Ergebnis dieser Studie war, dass in Bezug auf Spurenstoffe, deren Konzentrationen in Gewässern derzeit in der Oberflächengewässerverordnung begrenzt sind und deren Emissionen hauptsächlich aus Kläranlagenabläufen stammen, kein akuter Handlungsbedarf besteht. Auf Basis einer zukünftig erwarteten Umweltqualitätsnorm für Diclofenac von 0,05 µg/l wurden in der Studie weiterhin Szenarien der Ausrüstung von kommunalen Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe zur Spurenstoffelimination betrachtet. Zwei Szenarien, in denen eine möglichst flächendeckende Zustandsverbesserung angestrebt wurde, erreichten die höchsten Kosten-Nutzen-Verhältnisse. Dabei wurde das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis in dem Szenario erreicht, das pauschal zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung von Spurenstoffemissionen berücksichtigt (z.B. effiziente Anwendung und richtige Entsorgung spurenstoffhaltiger Produkte, Verringerung Spurenstoffemissionen über Mischwasserentlastungen etc.).
Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus bisher umgesetzter oder geförderter Maßnahmen zur Reduzierung der Spurenstoffbelastung in Oberflächengewässern des Saarlands derzeit auf indirekt wirkenden Instrumenten. Dabei stehen neben der effizienten Anwendung und richtigen Entsorgung von Produkten, die Spurenstoffe enthalten, auch dezentrale Maßnahmen im Vordergrund, die sich sowohl auf die Reduzierung des Eintrags von Makroschadstoffen als auch auf eine Verringerung von Spurenstoffemissionen in Oberflächengewässer auswirken.
In Bezug auf eine effiziente Anwendung und Entsorgung von spurenstoffhaltigen Produkten steht beispielsweise die Aufklärung zur richtigen Entsorgung von Medikamenten über den Restmüll im Mittelpunkt einer gemeinsamen Kampagne der Ärztekammer und Apothekerkammer des Saarlandes und des Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz siehe kvsaarland.de.
Daneben soll durch die Beratung der Landwirtschaft und die Förderung der Anlage von Gewässerrandstreifen in einem Förderprogramm des Ministeriums für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz zur Gewässerentwicklung eine Verminderung des Stoff- und Bodenaustrags von landwirtschaftlichen Flächen erreicht werden.
Weiterhin werden in der „Aktion Wasserzeichen“ kommunale Förderprogramme zur dezentralen Abkopplung befestigter Flächen von Mischwasserkanalisationen und Maßnahmen der Fremdwasserentflechtung gefördert. Das trägt zur Verringerung des Austrags von Makro- und Mikroschadstoffen über Mischwasserentlastungen bei, entlastet Kläranlagen und steigert deren Reinigungseffizienz.
Im Zusammenhang mit geplanten Änderungen der immissions- und emissionsbezogenen Anforderungen an Spurenstoffe auf europäischer Ebene, im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des Programms „RHEIN 2040“ der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins und auf der Grundlage der Resultate aktueller Forschungsvorhaben zur Spurenstoffelimination (z.B. Projekt CoMinGreat) werden ab 2023 die Arbeiten an einem landesweiten Konzepts zur Ausrüstung von relevanten Abwasserbehandlungsanlagen mit einer vierten Reinigungsstufe zur Spurenstoffelimination forciert.
In RLP wird der Orientierungsrahmen des Bundes in einem ersten Schritt durch die Erstellung einer Positivliste zur Auswahl potenzieller Kläranlagen umgesetzt und 67 mögliche KA-Standorte für weitergehende Reinigungsstufen zur Mikroschadstoffelimination abgeleitet ausgewählt. Hierzu wurde die Schutzbedürftigkeit der Gewässer und die Belastung mit Diclofenac bewertet. Die Auswahl der Kläranlagen erfolgte zusammenfassend nach drei Strategien:
- „Hohe gewässerbiologisch und naturschutzfachliche Wertigkeit“ des Gewässers (Wertigkeit > 6, Diclofenac-Konzentration mindestens 0,05 μg/L in einem WK)
- „Hohe Arzneimittelbelastung“ (Wertigkeit > 1; Diclofenac-Konzentration mindestens 0,10 μg/L in einem WK)
- „Hohe Frachtreduzierung je Euro“ (Klaranlagen mit über 100.000 E)
Für insgesamt 12 der abgeleiteten Kläranlagen sind Machbarkeitsstudien in Vorbereitung, in Bearbeitung oder auch bereits abgeschlossen. Die Stadt Mainz hat die Einrichtung einer 4. Reinigungsstufe auf ihrer Kläranlage bereits beschlossen. Sowohl die Machbarkeitsstudien als auch die Umsetzung der Maßnahmen werden auf der Grundlage der Förderrichtlinien der Wasserwirtschaftsverwaktung (FöRiWWV) finanziell vom Land unterstützt (https://wasser.rlp-umwelt.de).